You have not accepted cookies yet

This content is blocked. Please accept marketing cookies. You can do this here.

#ArcadisCitiesBlog: Fahrplanänderung - Die urbane Verkehrswende im Krisenmodus

19 Aug 2020

Michael Hanita

Wenn die urbane Verkehrswende auch mit kommunalen Krisenhaushalten auf Kurs bleiben soll, brauchen wir Bewegung in der Bewegung. “Wir haben das immer so gemacht” hilft nicht mehr weiter. Konsequente Nutzerorientierung und kompromisslose Effizienz definieren den Fahrplan. Wir liefern Ideen und Konzepte.

Niemand ist geholfen, wenn man sich die Dinge schön redet. Die pandemiebedingte Rezession wird in den kommunalen Haushalten Einnahmerückgänge verursachen, die in manchen Städten im mittleren zweistelligen Prozentbereich liegen. Damit ist so manch ehrgeiziger Fahrplan für eine grüne Verkehrswende Makulatur. Das ist allerdings kein Grund für Verkehrsbetriebe und Entscheidungsträger, ihre strategischen Ziele aufzugeben. Fahrpläne können schließlich an neue Rahmenbedingungen angepasst werden. Und mit konsequenter und intelligenter Steuerung und der Digitalisierung von Konzeption, Planung, Bau, Betrieb und Wartung einer nachhaltigen Mobilitäts-Infrastruktur lässt sich auch aus reduzierten Budgets oft mehr herausholen, als man auf den ersten Blick für möglich hält.

Für kommunale Mobilität verantwortliche Stakeholder arbeiten in einem Spannungsfeld, in dem Pessimisten nur Zielkonflikte und Probleme, und Optimisten vor allem Synergiepotenziale und Lösungen sehen. Wo die einen konkurrierende Transportsysteme und -plattformen beklagen, reden die anderen über multimodale und intelligent gesteuerte Hubs. Wo Pessimisten die derzeit die Infektionsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln beklagen, entwickeln die Optimisten smarte Lösungen für einen Pandemie-sicheren Betrieb von Bus und Bahn. Wo die einen die Dominanz des privaten PKW im öffentlichen Raum beklagen, entwerfen die anderen einen urbanen Raum, in dem dessen Nutzung schlichtweg unattraktiv ist.

Die Mobility-Experten der „Arcadis City Shapers“ haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie sich zu den Optimisten zählen. In einem gemeinsamen Workshop haben wir Konzepte entwickelt, mit denen die grüne urbane Verkehrswende auch mit Krisenhaushalten auf Kurs bleibt. Einige Beispiele:

  • Mobility as a Service | Aus Nutzerperpektive ist es schlichtweg dysfunktional, sich mit Mobilitätsplattformen durch die Stadt zu bewegen, die miteinander in Konkurrenz stehen. Die Zukunft gehört denjenigen Städten, die es schaffen, die verschiedenen Systeme so individuell und nutzerfreundlich zu vernetzen und zu kombinieren, dass sich perfekt ergänzen. Ein Beispiel für den Stadt-Umland-Verbund: Mit „Mobility on demand“ definiere ich Start- und Zielwunsch über eine Smartphone-App, ein flexibilisiertes und KI-optimiertes Busnetz ohne starres Haltestellen- und Liniensystem bringt mich komfortabel und zeitnah ans Ziel. Solche Modelle erfordern neues, kooperatives Arbeiten mit allen Akteuren im urbanen Raum.
  • Instandhaltung und Wartung | Reaktiv oder proaktiv, das ist hier die Frage. Wer Fahrwege, Verkehrsleitsysteme und technische Anlagen auf Verschleiß fährt und repariert, was irgendwann nicht mehr funktioniert, der verschenkt wertvolle Potenziale in Bezug auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Mit modernen, KI-gestützten Plattformen und „Predictive Maintenance“ lassen sich personelle und ökonomische Ressourcen einsparen, die für die strategische Entwicklung des Netzes eingesetzt werden können. Das klingt abstrakt, läßt sich aber mit einem einfachen Beispiel aus dem Alltag illustrieren: Stellen Sie sich vor, an Ihrem PKW würde nicht einmal alle 10.000 km das Öl gewechselt („präventive Wartung“) sondern dank kontinuierlicher Qualitätsmessung erst dann, wenn es wirklich nötig und sinnvoll ist („zustandsbasierte Wartung“). In der Summe können so in Bezug auf Ressourcen und Kosten enorme Effekte erzielt werden. Das für den Betrieb des niederländischen Schienennetzes zuständige Unternehmen Dutch Rail konnte mit „Predictive Maintenance“ die technischen Systemausfälle um 64% senken – bei 40% niedrigeren Wartungskosten.
  • Programm- und Projektmanagement | Läuft ein Projekt irgendwie oder läuft es im Bereich des Optimums? Sind die avisierten Zeit- und Budgetgrenzen realistisch und merken wir rechtzeitig, wenn ihre Einhaltung in Gefahr ist? Können wir Skalierungseffekte nutzen, wenn mehrere hundert Haltestellen in einer Großstadt in möglichst kurzer Zeit umgerüstet werden müssen? Die professionelle, digitalisierte Steuerung von Modernisierungs-, Bau- und Umbaumaßnahmen urbaner Mobilitätsinfrastruktur ist ein oft unterschätztes Instrument mit exzellentem „Return on Investment“.
  • Stakeholder Management | An keinem Ort sind Interessen- und Zielkonflikte räumlich so dicht konzentriert wie in der Großstadt. Jedes größere Vorhaben im Rahmen der Umsetzung der Verkehrswende tangiert die Interessen einer Vielzahl von Betroffenen und Stakeholdern. Diese Menschen und Institutionen und Organisationen in konstruktiver und zielführender Art in Planungsprozesse einzubinden, hat sich in den Jahren zu einem Schlüsselelement erfolgreicher Infrastrukturprojekte entwickelt. Solche Beteiligungsprozesse können inzwischen komplett digital abgebildet werden – so dass die Konzeption und Planung von Infrastrukturvorhaben auch in Pandemiezeiten nicht auf dem Abstellgleis landet.
  • Smart Design | Zweidimensionales Design war gestern, die Zukunft gehört dem Building Information Modeling. Integrierte, volldigitalisierte Planungsprozesse mit Lebenszyklus-Fokus bringen sowohl die Planungsqualität als auch den Ressourceneinsatz bei Vorbereitung von Vorhaben auf ein völlig neues Niveau. Einfach formuliert: Betreiber und Entscheidungsträger, die für die urbane Verkehrswende konsequent auf Smart Design setzen, kommen schneller und effizienter zu einem besseren Ergebnis.

Der Erfolg der urbanen Verkehrswende hängt auch von neuen Formen der Kooperation zwischen Verkehrsbetrieben, Wohnungsbaugesellschaften, Entwicklern und Investoren ab. Multimodale und nutzerorientierte Mobilitätskonzepte entfalten nur dann ihr volles Potenzial, wenn die Akteure gemeinsam konsistente Lösungen entwickeln. Die Voraussetzung sind Verhandlungspartner, die mit einem veränderten Mindset an Projekte herangehen. Neue städtische Mobilität ist nicht nur technische Innovation, sondern auch Kulturwandel in Bezug auf die Kooperation der Stakeholder in der Stadt.